Sonnenhang

Objekt:
Sonnenhang
Realisierung:
2018
Location:
Sankt Gallen / Abtwil
Photography:
Brigida González

Das Wohnhaus „Sonnenhang“ in St. Gallen scheint wie selbstverständlich mit dem Ort verbunden, indem es sich am Hang entfaltet und diesen im Innen wie im Aussen spürbar macht.

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Die Architekten Biehler Weith haben eindrucksvoll das architektonische Prinzip der vierdimensionalen Zerlegung und Neuordnung angewendet. Während strassenseitig primär ein eingeschossiger Kubus mit rückversetztem Attikageschoss ablesbar ist, lösen sich die Elemente der einzelnen Körper hangabwärts zunehmend in horizontale und vertikale Scheiben bzw. Spangen auf, wird das Spiel der Kräfte sichtbar. Eine auskragende Decke wird zur Überdachung eines spezifischen Aussenraums, zur betretbaren Sonnenterrasse oder zum blickrahmenden Wolkenbügel. Die Auflösung der Raumkanten ist immer in Zusammenhang mit dem Innenraum und der gewünschten Raumatmosphäre sowie dem phantastischen Blick auf den Säntis gedacht. Prägend für das Haus sind die vertikalen Scheiben längs und quer zum Hang, welche in ihrer Materialität und Ausprägung das Erdverbundene, Tragende aufzeigen. Ihre stoffliche Dichte und Präsenz wird verstärkt, indem situativ weitere Funktionen aufgenommen werden: die Wand wird zum offenen Kamin im Wohnzimmer, zum Nischenraum auf der Frühstücksterrasse oder zur Sitzbank im Attikageschoss.

Ein Rundgang durch das Gebäude lässt einen erkennen, dass es nicht nur um das Schaffen von signifikanten Räumen, sondern auch um eine Inszenierung der Ausblicke ging. Dank des Split-Level-Systems sind die Räume fliessend miteinander verbunden, wechseln sich engere Bereiche mit offenen Zonen ab, werden Räume mit unterschiedlicher Himmelsausrichtung geschaffen. Je nach Situation wird der Ausblick zum Bildausschnitt oder Panorama. Jede Richtungsänderung in der Bewegung durchs Haus eröffnet neue Bezüge innerhalb der Räume und nach Aussen. Eine einläufige, quer im Grundriss liegende Treppe führt vom Zugangsgeschoss entweder zum Elternbereich im Attikageschoss oder zu den Schlaf- und Aufenthaltsräumen im Hanggeschoss. Von dort aus bewegt man sich längs zum Hang in den kontemplativen Sauna- und Fitnessbereich im Untergeschoss, dessen überdachter Aussenbereich von der mit Klinker bekleideten Längswand geprägt ist. Alle hangberührenden Geschosse können zusätzlich über eine aussenliegende Treppe oder den Hang abwärts begleitende Aussenstufen erreicht werden.

Die Gestaltung des Gebäudes samt Interieur wirkt als harmonisches Ganzes. Beispielsweise geht der homogene Kunstharzboden in den Ebenen und auf den Treppen durch, wodurch das Gefühl des Raumkontinuums verstärkt wird. Ein Belagswechsel, wie etwa im Wohnzimmer, findet hinsichtlich Material seine korrespondierende Entsprechung in den Küchenkuben. Auch überzeugen die sorgfältig überlegten und handwerklich gut ausgebildeten Details: eine Wandvertiefung parallel zum Treppenlauf dient als Handlauf und Beleuchtung, die zentrale Wand wird dort aufgelöst bzw. durchbrochen wo sie als Filter dienen soll und vieles mehr. Das Haus Sonnenhang ist individuell auf die Lebensweise seiner Bewohner zugeschnitten und wird gleichzeitig dem Genius Loci gerecht.

Beate Raible